
Brief des Frechener Stadtverordneten Hardy Fuß MdL (SPD) an Bürgermeister Meier (CDU):
„Frechen für Wachstum ausgezeichnet“
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
nun ist auch dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in Bonn aufgefallen, dass die Stadt Frechen exorbitante Steigerungszahlen beim Beschäftigungswachstum vorzuweisen hat. Nach Presseberichten hat die Behörde in einer Untersuchung unter 13.000 Gemeinden und kreisfreien Städten festgestellt, dass Frechen zu den besten 100 Gemeinden gehört, die zwischen 1997 und 2002 ein Beschäftigungswachstum von mindestens 20 Prozent realisiert haben. Wie wir einer hiesigen Tageszeitung entnehmen, hat der Bürgermeister auf die Frage des Amtes, wie die Stadt diesen Erfolg erreicht hat, geantwortet:
„Die Wertschöpfung ist für mich das Entscheidende bei der Ansiedlung von Firmen. Deshalb vermarkten wir längst nicht an jeden.“
Lieber Herr Bürgermeister,
damit sind Sie der Versuchung erlegen, sich im Kommunalwahljahr mit Lorbeeren zu schmücken, die Sie selbst am wenigsten verdient haben. Dieser Versuchung zu erliegen, fiel Ihnen umso leichter, weil Sie sich vorher offenbar der süßen Droge des Vergessens ergeben haben.
Deshalb wollen wir an dieser Stelle noch mal an die Fakten erinnern:
1.Zwischen 1994 und 1999 wurden in der Stadt Frechen 4.500 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Dies war in erster Linie möglich durch
– den Mut von Unternehmern, in strategisch günstiger Lage Unternehmen zu schaffen,
– die konsequente Entwicklung eines rund 80 Hektar großen Rübenackers in Privatbesitz zu einem Gewerbegebiet von europäischem Rang durch die Stadt,
– die professionelle Vermarktung des Gewerbegebietes durch die Alfons Doblinger Industriebau AG in München nach Beauftragung durch den privaten Grundstückseigentümer,
– die herausragende zentraleuropäische Lage des Gewerbegebietes Europaallee am Autobahnkreuz Köln-West.
Sie sehen, dass von den vier Faktoren nur einer von der Stadt beeinflusst werden konnte, nämlich die planerische Entwicklung zum Gewerbegebiet. Diese Entwicklung musste gegen zwei Kräfte in der Stadt durchgesetzt werden:
Zum Ersten gegen die Grünen, die sich grundsätzlich und konsequent gegen jede Umwandlung des Knollenackers in Gewerbegebiet gewandt haben.
Zum Zweiten gegen eine CDU-Fraktion, deren Mitglied Sie waren, die ein ständiges „so nicht“ und „jetzt nicht“ vor sich hertrug.
2. In der Bundesrepublik herrscht Gott sei Dank Gewerbe- und Ansiedlungsfreiheit. Das heißt, dass ein privater Grundstückeigentümer sein als Gewerbegebiet ausgewiesenes Grundstück an Gewerbetreibende verkaufen kann, ohne vorher die Stadt um Erlaubnis fragen zu müssen. Der Grundstückseigentümer und der kaufwillige Gewerbetreibende haben ein Recht auf die Nutzung des Grundstückes, sofern sie die einschlägigen Gesetze, z. B. emissionsrechtliche und einzelhandelsrechtliche Auflagen, erfüllen.
Ihre Bemerkung in der Presse: „Wir vermarkten längst nicht an jeden.“ ist deshalb nichts weiter als der durchsichtige Versuch, sich den Erfolg des Gewerbegebietes auf die eigene Fahne zu schreiben.
Weder Sie noch Ihr Vorgänger konnten eine rechtskonforme Ansiedlung je verhindern; weder Sie noch Ihr Vorgänger standen wirklich vor der Frage: „Nehmen wir dieses Unternehmen oder nicht?“
3. Bis zur Kommunalwahl 1999 haben Sie als Mitglied der CDU-Fraktion ständig an der Entwicklung dieses Gewerbegebietes herumgemäkelt. Insbesondere ständig bemängelt, dass zuviel Verkehr verursacht würde.
Im Sommer 1999 wurden Sie offenbar von Zweifeln befallen, dass diese Ihre Position richtig ist. Denn plötzlich und unerwartet ließen Sie sich in der Presse feiern mit der Mitteilung, Sie hätten persönlich dafür gesorgt, dass das Briefverteilzentrum West der Deutschen Post sich an der Europaallee ansiedeln werde.
Nun dürfen Sie dreimal raten, wer mit den meisten Verkehr im und am Gewerbegebiet Europaallee verursacht…
4. Die Maske des tapferen Ansiedlers der Deutschen Post ließen Sie nach der Kommunalwahl schnell wieder fallen, als die Verkehrsprobleme im Gewerbegebiet selbst und bei der Ausfahrt zum Gewerbegebiet offenkundig wurden. Sofort beklagten Sie wieder öffentlich die Existenz der Logistikunternehmen im Gewerbegebiet und ließen auch Ihr angebliches persönliches Ansiedlungskind, die Deutsche Post, damit fallen.
(Die Ursachen für die Verkehrsprobleme kennen wir ja beide sehr gut: Im wesentlichen sind diese darauf zurückzuführen, dass der damals dafür zuständige Herr Zeitz alles auf seine eigene Größe plant und das bei großen LKW natürlich schief gehen musste.)
5. Wie wenig Sie in Fragen der Frechener Gewerbeentwicklung in der Zwölf liegen, zeigen zwei Beispiele:
– Als es vor einem Jahr darum ging, den Schienenstrang ins Gewerbegebiet Europaallee aufzugeben, haben Sie trotz Warnungen der SPD über die möglichen Auswirkungen der Maut und damit der Attraktivierung der Schiene teilnahmslos der Aufgabe des Schienenstrangs durch die HGK zugestimmt. – wohl wissend, dass eine anschließende Revitalisierung kaum gelungen wäre.
Die Anhörung logistischen Sachverstands hatten Sie zuvor abgelehnt.
Heute, da sich die ersten Auswirkungen der Maut zeigen und ein bedeutendes Unternehmen im Gewerbegebiet Europaallee ankündigt, wieder mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern, schwenken Sie erneut um.
– Eines der wichtigsten Entwicklungsgebiete in Frechen, das Cremer & Breuer- Fabrikgelände hinter dem Keramion, haben Sie denkmalschutzrechtlich sehenden Auges verkommen lassen und setzten dem Fass die Krone auf, indem Sie vis á vis des Keramions – architektonisch gesehen ein frühes Spannbetonbauwerk von europäischem Rang – die Ansiedlung eines Baumarktes mit Offenlager zugelassen haben und damit ein für alle mal eine katastrophale Portalsituation für das dahinter liegende Filet-Grundstück zementiert haben.
Fazit:
Sie haben sich 1999 in ein gemachtes Nest gesetzt, das Sie vorher noch beschmutzt haben.
Sie profitieren heute von den Leistungen Ihrer Vorgänger, ohne dass Sie während Ihrer Amtszeit auch nur annähernd Vergleichbares geleistet oder gesät haben.
Wenn es gilt, sich in einem Konzept festzulegen, gleiten Sie jedem durch die Hand.
Wenn etwas schief geht, sind Sie im Gebüsch zu finden. Gelingt etwas – wie der Arbeitsplatzzuwachs in Frechen und das Gewerbegebiet Europaallee – haben Sie als selbsternannter großer Wirtschaftslenker schon immer dafür gesorgt.
Dabei vergessen Sie die große Anzahl von Menschen mit einem guten Gedächtnis…
Mit freundlichen Grüßen
Hardy Fuß MdL